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Minus 40% CO2 – geht das?

Foto: Die Jungingenieure und örtlichen Betriebsleiter der SOEG mbH Philipp Beckel und Max Schöne im Gespräch mit einem der Unterstützer dieses Projektes dem Landtagsabgeordneten Dr. Stephan Meyer. Foto Mario England

In Zeiten fest vereinbarter Klimaziele seitens der Politik soll jeder seinen Beitrag dazu leisten. Aus Sorge, ebenso wie die Kohlekraftwerke abgeschaltet zu werden, suchen viele Bahnen nach Alternativen. Ob das auch bei Dampfbahnen funktioniert, soll ein durch Kohlemittel kofinanziertes Pilotprojekt bei der Zittauer Schmalspurbahn zeigen: Leichtölfeuerung bei Dampflokomotiven.

Um es vorweg zu nehmen: es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die mittelfristige Sicherung des touristisch geprägten ÖPNV mit Dampflokomotiven in Sachsen. Eigentlich ist die Welt der Dampfbahnen eine heile Welt. Mit ihren Dampfwölkchen verzaubern sie in traumhafter Landschaft so manches Kinder- und Vaterherz. Aber die Welt von Strom aus der Steckdose, zumeist aus Kohlekraftwerken, war auch einmal eine heile Welt, das ist heute vorbei. Diese Angst vor Augen, haben die Verantwortlichen der täglich verkehrenden Dampfbahnen zunehmend schlaflose Nächte. Bei Museumsbahnen mit vielleicht 20 bis 30 Fahrten im Jahr kann man den CO2-Ausstoß der Dampflokomotiven als wirklich unbedeutend bezeichnen. Aber genügt diese Denkweise auch bei den täglich verkehrenden Bahnen im Harz, an der Ostseeküste und in Sachsen mit über 3,5 Mio Fahrgästen?
In Österreich testet man im Zillertal gerade Wasserstoffantriebe in fünf neuen Triebwagen, dafür stellt man 156 Mio € für ein Mobilitätskonzept zur Verfügung. In der Schweiz lächelt man über solche Versuche, dort wird seit Jahrzehnten bei fast 100% aller Schmalspurbahnen elektrisch gefahren. In Deutschland gibt es weder die notwendigen Budgets noch einen Generalplan, hier doktert man bei den Regelspurbahnen oder bei Bussen als Alternative zum Diesel mit verschiedenen Antrieben herum. Man wird sehen, ob die Oberleitung, die Batterie oder Brennstoffzellen mit Wasserstoff das Rennen machen.
Bei den dampfbetriebenen Schmalspurbahnen gehen all diese Lösungen nicht, weil man dann auf das eigentliche Objekt der Begierde verzichten müsste, eine Dampflok lässt sich technisch nicht elektrisch oder mit Wasserstoff betreiben. Ein Umstieg auf Triebwagen oder Diesel-Züge würde die touristische Attraktion gegen Null führen, da kann man auch gleich mit dem Bus fahren. Also alles dem Untergang geweiht? – mitnichten. Auch wenn man den CO2-Ausstoß nicht gegen 0 bringen kann, so wäre eine deutliche Reduzierung doch ein Schritt in die richtige Richtung. Eine alternative Feuerungsart anstelle der Steinkohlefeuerung eines Schweizer Herstellers hat sich diesbezüglich in mehreren Lokomotiven bewährt und ließe sich auch in deutschen Dampflokomotiven einbauen. In den 1980 Jahren hatte die DR ihre Dampfloks bereits mit Schweröl gefeuert, was aber keine wirkliche Alternative darstellt. Auch der Versuch aus den 1990er Jahren in Zittau mit Leichtöl bzw. Diesel war auf Dauer nicht befriedigend, die Technologie war nicht ausgereift genug. Das ist heute anders, wie die Lok „Heidi“ in der Schweiz, die Dampflok „Borkum“ auf der gleichnamigen Insel oder neuerdings die „14A“ einer australischen Eisenbahn beweisen, allesamt ausgerüstet mit dem Schweizer Patent der Firma DLM unter der Leitung von Roger Waller. Auch die Sächsische Dampfschifffahrt feuert ihre allermeisten Dampfer seit Jahren mit Leichtöl.
Mit den Geldern des Kohlestrukturfonds werden zumeist Projekte gefördert, die neue Arbeitsplätze schaffen sollen. In Sachsen betrifft das auch den Landkreis Görlitz in der Lausitzer Braukohlenregion. Da die Zittauer Schmalspurbahn im Landkreis Görlitz liegt, waren sich die Verantwortlichen aus Aufsichtsrat, Geschäfts- und Betriebsleitung in Abstimmung mit der Landes- und kommunalen Politik schnell einig, dass hier eine Chance zum Handeln besteht. Dabei denkt man nicht nur an sich, sondern würde die Technologie auch allen anderen interessierten Betreibern von Dampfbahnen zur Verfügung stellen, sofern das sächsische Pilotprojekt gelingt und alle gewünschten Anforderungen erfüllt werden. Der SOEG-Geschäftsführer Ingo Neidhardt verweist diesbezüglich auf einen Innovationsschub für die Zittauer Schmalspurbahn: „Extra für dieses Projekt sollen ein neuer Mitarbeiter für die Werkstatt und ein Azubi eingestellt werden, ebenfalls können wir die Anstellung eines zweiten neuen Dipl. Ingenieurs dauerhaft sicherstellen. Diese können dann allen potentiellen Interessenten Rede und Antwort stehen“.


Als Pilotlok soll zunächst die derzeit ohne Fristen abgestellte 99 787 mit einer Leichtölfeuerung ausgerüstet werden. Dabei kommen modernste Brenner zum Einbau, die auch einzeln gesteuert werden können. Zusätzlich soll ein Vorheizgerät erprobt werden, um die Nachtarbeit zu erleichtern. Für vorbereitende Maßnahmen wurde die Lok bereits teildemontiert und von der schweizerischen Firma DLM vermessen, ebenfalls führte man Testfahrten unter Vollast mit herkömmlichen Kohlelokomotiven durch, um die Brennerleistung zu ermitteln. Vergleichsberechnungen geben an, dass mit der Leichtölfeuerung der Ausstoß von CO2 um ca. 40% reduziert werden kann. Für die Touristen ist der Wechsel der Feuerungsart kaum zu erkennen, lediglich die dunklen Rauchschwaden würden der Vergangenheit angehören, was der Umweltdiskussion hilft. SOEG-Betriebsleiter für Fahrzeuge/Werkstatt Philipp Beckel, einer der neuen Dipl. Ingenieure der Zittauer Schmalspurbahn, benennt weitere Vorteile der neuen Feuerungsart: „Zum Einen wissen wir nicht, wie lange bezahlbare Steinkohle bezogen werden kann, gerade in Zeiten der Klimadiskussion, zum Zweiten können leichtölgefeuerte Dampfloks auch bei Waldbrandstufe 5 fahren, da sie keinen Funkenflug aufweisen und zum Dritten verbessern sich die Arbeitsverhältnisse unserer Heizer wesentlich, sie müssen während einer Fahrt von Zittau nach Oybin dann keine Kohlen mehr in den Kessel schaufeln“.
Am 3. November 2021 gab der zweite regionale Begleitausschuss im Lausitzer Revier grünes Licht für das Projekt einer Umrüstung der Dampflokomotive 99 787 auf Leichtölfeuerung und damit den Startschuss in die Zukunft. Dem gingen umfangreiche Antragsprozeduren und Diskussionen voraus, die schließlich auch Unterstützung durch das Landratsamt, durch das Mitglied des sächsischen Landtage Dr. Stephan Meyer sowie durch die Staatregierung erhielt. Für das Gesamtprojekt stehen 1,3 Mio € zur Verfügung, von denen die SOEG mbH 10% Eigenanteil trägt. Ausgeführt werden sollen die Arbeiten inklusive einer Hauptuntersuchung im Dampflokwerk Meiningen, mit dem bereits mehrere Vorabgespräche geführt wurden und von dem ein Kostenangebot vorliegt. Dabei wird die Schweizer Firma DLM unter Roger Waller federführend für die Umrüstung einbezogen, begleitet wird der gesamte Prozess durch die neuen Dipl. Ingenieure der SOEG mbH.
Dr. Stephan Meyer beschreibt als Mitglied des sächsischen Landtages seine Unterstützung für das Projekt folgendermaßen: „Auch wenn am Beginn der Vergabe von Mitteln aus dem Kohlestrukturfond nicht alles rund lief, zeigt doch die aktuelle Arbeit, dass alle Interessenten an einem Strang ziehen. Wenn historische Technik als Kulturerbe bewahrt werden kann, gleichzeitig neue Technologien zum Einsatz kommen, europäische Zusammenarbeit funktioniert und schließlich in den Regionen die Wirtschaft gestärkt wird, haben wir eine Chance im Sinne der Stärkung unserer Heimat. Und wenn dann unsere Zittauer Schmalspurbahn noch dazu beitragen kann, ihren CO2-Ausstoß um 40% zu reduzieren, dann erfüllt mich das ganz persönlich mit Stolz“

PM SOEG