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Fahren bald weniger Bimmelbahnen ins Gebirge?

Den Anblick einer solchen qualmenden, mit Kohlefeuerung ausgestatteten Lok wird es bei der Zittauer Schmalspurbahn in Zukunft weniger geben. Foto: Archiv/Matthias Weber

Wenn die Schmalspurbahn keine zusätzlichen Zuschüsse bekommt, gilt ab April ein Sparfahrplan.
Der Betreiber ist aber optimistisch. Auch, weil er eine „Zeitenwende“ einläutet.

Quelle: Sächsische Zeitung, Lokalausgabe Südliche Oberlausitz (Löbau, Zittau) | Erscheinungsdatum: 13.03.2023 | Von Frank-Uwe Michel

Wenn Ingo Neidhardt auf das vergangene Jahr blickt, redet er nicht lange um den heißen Brei herum: „Wir sind nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen“, schätzt der Geschäftsführer der Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft (Soeg) ein. Und er nennt einige positive wie negative Details: „Wir haben keinen unserer rund 60 Beschäftigten in Kurzarbeit schicken müssen und auch keine Schulden gemacht.“ Zudem habe man die volle, vom Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon) bestellte Verkehrsleistung von 58.000 Kilometern im Jahr erbracht.

Allerdings hat die Medaille auch eine andere Seite: Beschaffung und Kosten von Steinkohle wurden zum Problem. Der Preis pro Tonne stieg im Laufe des Jahres von 220 auf 850 Euro. „Wir haben glücklicherweise noch vor dieser Verteuerung gekauft und uns Vorräte angelegt“, so Neidhardt. Aber: Die Preisexplosionen beim Diesel, für Stahl und Werkstattleistungen sowie die notwendigen Versicherungen fraßen den Vorteil schnell wieder auf. Hinzu kam – wie in den vergangenen Jahren – eine moderate Lohnsteigerung für die Belegschaft.

Alles Gründe dafür, um sich 2023 über einen Sparfahrplan Gedanken zu machen. Der hätte geringere Kosten mit sich gebracht. „An den Wochenenden wären wir statt im Ein-Stunden-Takt alle zwei Stunden gefahren. Die bisher üblichen drei Zuggarnituren hätten wir auf zwei reduziert. Nach Oybin wäre es allerdings einmal mehr gegangen“, erklärt Neidhardt die Veränderungen. Weil unter der Woche nichts abgespeckt worden wäre, hätte die Soeg ihr Pensum von 58.000 Kilometer pro Jahr auch weiter erfüllt. Kosteneinsparungen hätte es durch den vermehrten Einsatz von Dieselloks gegeben.

Vorerst jedoch bleibt der Sparfahrplan in der Schublade stecken. Geplant wird für 2023 aktuell mit dem vollen Programm. Grund: „Der Freistaat hat im Doppelhaushalt 2023/24 die Mittel für den Betrieb von Schmalspurbahnen deutlich erhöht. Für uns bedeutet das: Wir können in diesen beiden Jahren mit jeweils rund 120.000 Euro zusätzlichem Geld rechnen.“ Weil diese Finanzen aber hauptsächlich für Gehaltssteigerungen und die CO-Steuer vorgesehen sind, ist Ingo Neidhardts Freude leicht getrübt: Allein 80.000 Euro müssen an den Fiskus überwiesen werden.

Trotzdem bleibt der Chef der Zittauer Schmalspurbahn optimistisch, denn auch der Bund hat auf die gestiegenen Kosten in der Verkehrsbranche reagiert und den Ländern nach dem sogenannten Königssteiner Schlüssel einen „Inflationsausgleich Energieverteuerung im ÖPNV“ zugewiesen. Der Freistaat Sachsen muss den Finanzbrocken nun regionalisieren und an die Zweckverbände weiterreichen. Am Zvon ist es, nach Rücksprache mit den Gesellschaftern – also den Landkreisen Görlitz und Bautzen – das zusätzliche Budget an die mehr als zehn Einzelunternehmen zu verteilen.

Am 30. März schlägt die Stunde der Wahrheit. An diesem Tag findet die entscheidende Verbandsversammlung statt. Die Soeg braucht laut Ingo Neidhardt über 200.000 Euro. „In der Erwartung, dass wir dieses Geld bekommen, haben wir jetzt die Fahrpläne und Dienstschichten für den vollen Betrieb gemacht.“ Gibt es die Mittel nicht, wird zum Saisonstart am 1. April die Sparvariante aktiviert. Seine Zuversicht nimmt Neidhardt aus der Rolle der Schmalspurbahn: „Wir sind ein wichtiger touristischer Leistungsträger. Ich denke, das braucht unsere auf Urlauber angewiesene Region.“

Um sich für die Zukunft zu rüsten, verfolgt die Soeg aber noch andere Strategien. Auf die immer dringlicher werdende Frage nach der Verfügbarkeit von Steinkohle antwortet sie mit Leichtöl. Als erste deutsche Schmalspurbahn sucht das Unternehmen aktiv nach Alternativen – und ist mit einer Firma aus der Schweiz in Kontakt. Gefördert durch Strukturwandelgelder für die Kohleausstiegsregion wird die derzeit nicht gebrauchte Dampflok „99787“ im Dampflokwerk Meiningen umgerüstet. Statt Aschekasten und Feuerbüchse kommt ein Hightech-Leichtöl-Brenner der neuesten Generation zum Einsatz. Mit ihm werden 40 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen. Und die Waldbrandgefahr verschwindet. Allerdings hat dies auch seinen Preis: 1,8 Millionen Euro kostet die Umstellung auf das neue Energiesystem – nur für eine einzige Lok.

Im August soll die „99787“ einsatzbereit sein. Und wenn alles funktioniert wie gewünscht, könnte noch eine zweite Lok ihren schwarzen Kohlequalm verlieren und künftig mit weißem Leichtöldampf durch das Zittauer Gebirge rollen. Damit ist das Soeg-Vorhaben ein Pilotprojekt, denn deutschlandweit gibt es bereits Interesse für die Umrüstung weiterer 23 Loks – zum Beispiel anderswo in Sachsen, im Harz und an der Ostseeküste. „Die Branche schaut auf uns, ob wir das hier zustande kriegen“, so Neidhardt. Mit zwei Leichtöl- und einer Diesellok wäre die zwischen Zittau, Bertsdorf, Jonsdorf und Oybin verkehrende Schmalspurbahn gut ausgerüstet.

Hoffnungen auf positive Effekte haben die Verantwortlichen auch bei zwei anderen Themen. Da ist zum einen die Einführung des Deutschlandtickets. „Schon beim 9-Euro-Ticket haben uns die Leute regelrecht überrannt. Das zeigt doch, dass es einen Bedarf dafür gibt“, erklärt der Soeg-Chef. Auch für 49 Euro werde es einen Fahrgastansturm geben, ist er überzeugt. Um dem gewachsen zu sein, haben sich die Dampfbahnen in Deutschland auf einen Historik-Zuschlag verständigt. „Der ist bei uns nicht neu, betrug bisher 5 Euro pro Kopf und Tag. Wie bei den anderen Anbietern wird er auch hier auf 8 Euro angehoben“, so Ingo Neidhardt.

Vierter Punkt im Zukunftskonzept der Zittauer Schmalspurbahn ist die geplante Kostenersparnis bei den vorgeschriebenen Hauptuntersuchungen der Dampfloks. Die Steigerung in den vergangenen Jahren war enorm: Vor der Euro-Einführung musste die Soeg für eine Hauptuntersuchung im Dampflokwerk Meiningen 250.000 D-Mark berappen. Als die Einheitswährung gültig wurde, blieb der Betrag gleich, statt D-Mark stand aber Euro auf der Rechnung. Daraus ist in den zurückliegenden Jahren über die Station 500.000 Euro der aktuelle Zahlbetrag von 1,2 Millionen Euro geworden. „Alle zwei Jahre müssen wir das für eine Lok aufbringen. Das gibt unser Finanzhaushalt auf Dauer nicht her“, beschreibt Ingo Neidhardt die Situation.

Deshalb wird jetzt eine andere Strategie gefahren. Seit November 2022 steht in der eigenen Werkstatt die Dampflok „99760“ im Mittelpunkt. In Kooperation mit der Lokwerkstatt Oberwiesenthal geht es nun darum, selbst 12.000 Einzelteile auf Herz und Nieren zu prüfen. Extra dafür wurden ein Ingenieur und vier Mitarbeiter neu eingestellt. Ende 2024, Anfang 2025 soll die erste offizielle Hauptuntersuchung abgeschlossen sein. Aktuell wird schon an der „IV K“, der sogenannten Sachsenlok, trainiert. Im Sommer 2023 liegen dazu die Ergebnisse vor. „Ich denke, dass wir die Kosten damit deutlich reduzieren können“, so Ingo Neidhardt.

Er bezeichnet die vier Säulen zu Energieumstieg und Kostensenkung als eine „Zeitenwende“ für die Soeg. „Damit machen wir die Bahn fit für die nächsten Jahre.“ Und er hofft, dass sich die Attraktivität auch bei den Besucherzahlen zeigt. Im Vor-Corona-Jahr 2019 gab es mit rund 240.000 Fahrgästen einen neuen Rekord, nach zwei Flaute-Jahren dann 2022 mit 200.000 Fahrgästen wieder einen recht annehmbaren Wert. „In diesem Jahr könnte es durchaus noch höher gehen.“

Soeg-Geschäftsführer Ingo Neidhardt und sein Team von der Zittauer Schmalspurbahn tun viel, das Unternehmen trotz veränderter Anforderungen fit für die Zukunft zu machen. Foto: Matthias Weber